Readymades oder Selbstgemacht?

Es ist ein Thema – dass die nach Fisch riechenden Karpfenanglerherzen schon immer gespalten oder zumindest beschäftigt hat. Welcher Boilie ist nun tatsächlich besser? Welcher bringt mehr Fisch? Oder welcher Weg ist der Bessere? Ich möchte euch meine Sicht der Dinge schildern und anhand meines Werdegangs meine Gedanken dazu zu Papier bringen. Um es aber gleich vorweg zu nehmen – keine der obigen Fragen kann man mit hundertprozentiger Gewissheit sagen. Übung macht bekanntlich den Meister. Daher ist es gerade für einen, der beginnt, sich mit der Materie „Selbstrollen“ auseinander zu setzen, oftmals ein Buch mit 7 Siegeln. Wo fängt man an? Wo informiert man sich? Welche Mehle setzt man wofür ein? Bei mir begann diese Reise im Alter von 14 Jahren. Ich schloss mich damals der Jugendgruppe meines Heimatvereines an. Dieser Verein wurde durch meinen anglerischen „Ziehvater“ geleitet welcher Karpfenangler der ersten Stunde ist und schon damals seine Boilies selbst rollte. Dieser brachte mir die Liebe und Leidenschaft dieser Passion bei. Schon damals faszinierte es mich, dass dieser Vorstand mit seinen selbstgerollten Marzipanboilies regelmäßig alle Preisfischen gewann und auch neben den Wettkämpfen immer einer war, der auch dann fing, wenn am ganzen See gar nichts lief. Ich stellte mir immer wieder die Frage „Warum ist das so – sind das Zauberkugeln?“
Rückblickend muss ich darüber etwas schmunzeln – aber dennoch hatten diese selbstgerollten Boilies etwas, was die Boilies aus der Tüte nicht hatten. Oder lag es schlichtweg nur am Platz? Quasi, dass der Platz über Erfolg und Misserfolg entscheidet? Nun, ich glaube es ist eine Kombination aus Beidem. Der beste Boilie am schlechtesten Spot wird sich gegen einen mittelguten Boilie am besten Platz schwer tun – doch wenn gutes Futter und ein guter Platz zusammen kommen…dann geht’s richtig ab. Mit der Zeit rollte ich ebenfalls meine eigenen Mixe ab. Dabei kannte meine Fantasie wirklich keine Grenzen…da waren Sachen dabei, die ich heute nicht mehr rollen würde – blanke Erdnussbutter, Marzipan-Rohmasse aus dem Weihnachtsverkauf, usw. – alles das habe ich tatsächlich mit in meine Mixe gerollt – ABER: sie haben gefangen J
Und das machte wirklich einen Heidenspaß. Schon damals plagte mich im Winter immer eine gewisse „Winterdepression“. Welcher Angler kennt sie nicht…Wenn das Wasser gefriert, die Temperaturen eisig sind und keine Möglichkeit über Wochen besteht ans Wasser zu kommen…das schlägt wirklich aufs Gemüt. Genau in diese Zeit habe ich damals meine Boilierollaktionen gelegt. Ein paar Jungs aus der Jugendgruppe kamen zu mir und wir rollten im warmen Keller unsere Baits für das nächste Jahr. Eine Zeit, ja eine Stimmung, die man nie vergisst. Das Fachsimpeln, der Geruch der frischen Boilies und natürlich auch der Hauch des Ungewissen ob der gerade gerollte Boilie auch tatsächlich seine Fische fängt – all das bleibt in Erinnerung und ist gerade im kalten Winter Balsam für die geschundene Karpfenanglerseele.
Im Jahr 2011 lernte ich jemanden kennen, der seine Boilies ebenfalls selbst herstellt. Anfangs noch mit ein paar Feinheiten, die es zu verbessern galt, später mit durchaus guter Qualität. Dieser Bekannte machte sein Hobby zum Beruf und fragte mich im Jahr 2017 ob ich in seiner neu gegründeten Firma nicht als Teamangler tätig sein möchte. Natürlich sagte ich ihm zu – allerdings war mir damit klar, dass meine Leidenschaft selbst die Boilies zu rollen, damit erstmal auf Eis gelegt war. Warum tat ich es trotzdem und sagte ihm zu? Zum Einen klar aus dem Grund ihn zu unterstützen und nach vorne zu bringen – zum Anderen auch aus einer gewissen „Bequemlichkeit“ und Neugierde. Ich kannte die Boilies, die Mixe, die Zutaten. Ich wusste dass die Qualität in Ordnung ist. Um ehrlich zu sein, war ich aber auch gespannt in wie weit sich meine Fänge verändern würden wenn ich nicht mehr meine eigenen Mixe fische. Die Jahre 2017 und 2018 vergingen – die Fänge waren wirklich in Ordnung…doch ein Detail stimmte nicht. Ja – es regte sich etwas in mir. Es war das Gefühl der Eintönigkeit. Das Gefühl der Unflexibilität. Mir kamen viele Ideen in den Kopf welchen Mix mit welchem Flavour oder welcher Farbe ich gerne mal abrollen möchte. Der Kopf eines Selbstrollers begann wieder zu arbeiten J
Als Teamangler einer Boiliefirma sollte man, so finde ich, aussagekräftig sein. Wenn ein Fisch auf Boilie X Y gebissen hat, dann sollte dies auch der Wahrheit entsprechen. Wenn ich während meiner Zeit als Teamangler bei einer Boiliefirma aber meine eigenen Mixe weiter gerollt und gefischt hätte – wo wäre da die Glaubwürdigkeit geblieben?
Eine Veränderung musste her ! Ich verabschiedete mich von der Boiliefirma, wünschte viel Erfolg, und war mir sicher was mir fehlt – mir fehlt das Selbstrollen. Warum? Weil ich damit absolut flexibel bin welche Zutaten, in Form von Flavourn, Liquids, Mehlen oder Extrakten in meinem Boilie enthalten sein sollen. Ich habe damit direkten Einfluss auf die Qualität. Ich kann meinen Boilie meinem Gewässer anpassen – kommen viele Weissfische oder Grundeln darin vor, ändere ich die Zutaten sowie den Härtegrad oder die Größe. Man kann die Zeit im Winter sinnvoll nutzen und einen Teil seiner Leidenschaft und seines Hobbys im Winter geniessen.
Aber wisst ihr was das schönste ist? Das schönste Gefühl ist die innere Zufriedenheit die einem überkommt, wenn man mit krummer Angelrute am Wasser steht, sich ein dicker Karpfen den selbstgerollten Boilie einverleibt hat und man weiss „alles richtig gemacht“…das ist das Schönste…und genau so ein Gefühl wünsche ich jedem Einzelnen von Euch da draußen.
Tight lines,
Michael Seitz
Team FlAroLi
Kommentar schreiben